Der kleine blaue Schmetterling und der Löwenzahn


Frühlingswiesenmärchen – Wie der Löwenzahn dem kleinen blauen Schmetterling vor der Nase davon flog
Fröhlich tanzte ein kleiner blauer Schmetterling über die Wiese. Auf einer Löwenzahnblüte machten er Halt, naschte süßen Nektar und ruhte sich aus.
„Ich kann auch fliegen“, sagte da plötzlich der Löwenzahn.
„Niemals“, antwortete der Schmetterling.
„Wetten, dass doch?“, fragte der Löwenzahn.
„Das glaube ich dir nicht.“ Der Falter kicherte. „Du bist ein Schwindler. Oder zeige, wie du fliegen kannst!“
„Heute nicht“, brummte der Löwenzahn, und seine Stimme klang etwas gekränkt.
Da lachte er kleine Falter noch mehr. „Schwindler! Ein Schwindler bist du! Haha!“
„Pah!“ Der Löwenzahn versteckte seine gelbe Blüte in den grünen Hüllblättern, so wie er es bei Dunkelheit und Regenwetter auch tat. „Lass dich überraschen. Doch jetzt muss ich mich ein wenig vor dem großen Flug ausruhen. Komme morgen oder übermorgen wieder!“
„Hahaha!“ Der kleine Falter kicherte wieder und flog davon.
Dennoch vergaß er diese komische Blume, die behauptete, fliegen zu können, nicht. Immer wieder besuchte er sie. Doch es war, als wolle die gelbe Blüte mit dem süßen Nektar ihr Versteck hinter den grünen Außenblättern nicht mehr verlassen.
„Wie langweilig du doch bist, du seltsame Blume“, sagte der kleine blaue Schmetterling am dritten Tag.
Da hörte er ein leises Lachen und langsam, ganz langsam, öffnete der Löwenzahn seine Blütenknospe. Die gelben Blütenblätter waren verschwunden. Sie hatten einem silbergrauen Flaum Platz gemacht.
Der Schmetterling wunderte sich. „Hast du deine Blütenfarbe verloren?“, fragte er fast ein bisschen mitleidig.
Der Löwenzahn wiegte seinen runden, silberweißen Schopf leicht hin und her. „Ich trage mein Flugkleid“, antwortete er.
„Und wirst du nun fliegen? Haha! Eine fliegende Blume habe ich noch nie gesehen. Haha.“
„Komme morgen wieder“, sagte der Löwenzahn, der nun eine Pusteblume war, wieder. „Komme zur Zeit des warmen Mittagswindes.“
„Du willst mich nur vertrösten. Haha! Hihi.“ Der kleine Falter tanzte einen übermütigen Schmetterlingstanz um die Pusteblume. Auf und ab und hin und her. Nah kam er und näher, und da, da stieß er gegen den silbergrauen Blütenflaum. Im gleichen Moment erhoben sich eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn und mehr und noch viel mehr kleine silbergraue Fallschirme von der Blüte und flogen an der Nase des verdutzten Schmetterlings vorbei über die Wiese.
„Hui! Ich kann fliegen“, jubelte von irgendwoher eine vielfach hallende Stimme. „Mit meinen eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn und mehr und noch mehr Pustefliegern. Oh, Fliegen ist schön.“ Die Stimme lachte. „Na, Schmetterling, glaubst du mir nun?“
Der Schmetterling schwieg. Er war zu verdutzt, um etwas zu sagen. Außerdem konnte er sich nicht entscheiden, welchem der unzähligen Pusteblumenfallschirmfliegern er nun folgen sollte. Es waren zu viele.
© Elke Bräunling